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Die Fortuna zu Gast am Bruchweg - Der 1. FSV Mainz 05 II im Gegnercheck

Fotograf: Florian Fischer

Die U 23 von Mainz 05 begeistert viele Leute in der 3. Liga mit ihrem ansehnlichen Offensivfußball – und muss trotzdem den bitteren Gang in die Regionalliga antreten. Trotz des Abstiegs will der Verein nicht von seiner Philosophie abrücken.

Aktuelle Lage

Am Ende blieb eine „Mischung aus brutaler Traurigkeit und Stolz“, wie es 05-Trainer Sandro Schwarz nach dem entscheidenden 3:3 gegen die Sportfreunde Lotte beschrieb. Durch das Remis und die Siege der direkten Konkurrenten aus Paderborn, Erfurt und Bremen muss die U23 der Mainzer nach drei Jahren wieder den Gang in die Regionalliga antreten. Dabei scheint die Partie in Lotte eine Art Blaupause für die Mainzer zu sein: Trotz in 40-minütiger Unterzahl machte man aus einem 1:2 ein 3:2. Am Ende blieb aber doch nur ein Punkt, weil man in den Schlussminuten die Lotteraner zum dritten Treffer einlud. Es war der Genickbruch einer tollen Aufholjagd. Die Rheinhessen holten drei Siege aus letzten vier Spielen und müssen nun doch den Gang in die Regionalliga antreten.
Entscheidend dafür war die mäßige Hinrunde der 05er. In den ersten 19 Partien der Saison holte das Team von Trainer Schwarz nur magere 14 Punkte, war mit sieben Zählern Rückstand auf einen Nicht-Abstiegsplatz abgeschlagen Letzter. Zu viele Großchancen wurden ausgelassen, zu wackelig präsentierte sich die junge Abwehr der 05er - und das obwohl man in nahezu jedem Spiel auf Augenhöhe war.
Auch der Start in die Rückrunde lief alles andere als zufriedenstellend. Hatte man sich vorgenommen nochmal einen Angriff auf die Nicht-Abstiegsplätze zu starten, so war dieser nach drei Niederlagen aus den ersten fünf Spielen fast schon wieder verpufft. Niederlagen gegen Erfurt, Bremen II oder Paderborn offenbarten auch das Hauptproblem der 05er: Gegen direkte Konkurrenten ließ man stets zu viele Punkte liegen. Die Siege gegen den Tabellenletzten FSV Frankfurt (1:0, 2:1) waren die einzigen beiden Erfolge der Rheinhessen gegen direkte Konkurrenten um den Klassenerhalt. Die nötige Stabilität in der Defensive, die es im Abstiegskampf braucht, war mit den meisten Gegentoren der Liga (58) nicht wirklich gegeben. Das Torverhältnis von -23 ist das schlechteste der 3. Liga, 20 Saisonniederlagen sind ebenfalls Höchstwert. Dass man trotz dieser Zahlen durchaus konkurrenzfähig hätte sein können, zeigen Spiele wie gegen Magdeburg, Osnabrück oder Regensburg. In den Partien gegen die Aufstiegskandidaten punktete Mainz fleißig und überzeugte kämpferisch sowie auch spielerisch.

Spielerisch nicht weit weg vom Rest der Liga

Als die Mainzer die Saison 14/15 auf dem 16. Tabellenplatz abschlossen, war der Jubel groß. Das junge Team hatte sich kurz vor Ende der Saison den Klassenerhalt gesichert – das große Ziel war erreicht. Schon damals bekam man von den 05ern ansehnlichen Offensivfußball zu sehen, der spätere Chefcoach der ersten Mannschaft, Martin Schmidt, leitete damals noch bis zum 25. Spieltag die Geschicke an der Seitenlinie der U23, ehe Sandro Schwarz übernahm. Auch im Jahr darauf wurde der Klassenerhalt souverän klargemacht, 48 Punkte standen am Saisonende zu Buche. Sowieso war der Klassenerhalt immer das erklärte Ziel der 05er. Vielmehr noch freute man sich jedoch, wenn Eigengewächse wie Jannik Huth, Alexander Hack oder Aaron Seydel den Sprung in die Profimannschaft schafften. Trotz der niedrigen Erwartungshaltung und des jungen Kaders mauserten sich die Mainzer zu einem gestandenen Drittligisten und waren Woche für Woche für eine Überraschung gut. Abstiegskampf? Fehlanzeige!
Vor der laufenden Saison wurde erneut der Klassenerhalt als Ziel ausgegeben. Diesmal wurde der FSV jedoch schnell in die hintere Tabellenhälfte und auf die Abstiegsplätze durchgereicht. Die Konstanz fehlte der jungen Truppe, das Glück war den 05ern nicht mehr hold. Erst, als der Abstieg bereits als besiegelt galt, drehten die Mainzer noch mal auf, gewannen drei Spiele am Stück und erkämpften sich in Lotte ein starkes 3:3-Unentschieden. Spielerisch war man fast nie unterlegen, es fehlte nur oftmals an der nötigen Abgezocktheit und Kaltschnäuzigkeit .
Das Mainz 05 gut Fußball spielen kann, ist hinlänglich bekannt. Respekt bekommen die jungen Rheinhessen nach dem Abstieg aber besonders auch für ihre kämpferische Leistung in den vergangenen Wochen. Mit zehn Punkten Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz bei nur noch fünf zu absolvierenden Begegnungen, wäre es wohl das einfachste gewesen, sich hängen zu lassen – nicht so jedoch die Mainzer. Dem sicher geglaubten Abstieg zum Trotz gewannen die Rheinhessen ein Spiel nach dem anderen in überzeugender Weise, ließen dabei Gegner wie Halle, Frankfurt oder Aalen hinter sich. Dass es am Ende nicht zum Klassenerhalt reichte war abzusehen – trotzdem hat Trainer Schwarz nur lobende Worte für seine Jungs übrig: „Ich liebe diese Mannschaft dafür, was sie Woche für Woche geleistet, was sie alles investiert hat und trotz der ganzen Rückschläge immer wieder aufgestanden ist. Das ist Mainz 05.“ Dass die Mannschaft trotz der prekären Situation immer wieder aufstand und nie von ihrer Spielweise und ihren Tugenden abwich, gebührt Respekt. Denn mit den Mainzern verlässt eine Mannschaft die Liga, die immer versuchte, ihre Partien spielerisch ansehnlich zu lösen – eine Seltenheit in der 3. Liga, aber schlussendlich vielleicht der entscheidende Faktor, wieso es dieses Jahr nicht zum Klassenerhalt reichte. 

Jugendarbeit als große Stärke

Trotzdem rücken die Mainzer nicht von ihrer Philosophie ab, unerfahrene, talentierte Spieler zu entwickeln und im Profikader zu etablieren. Alexander Hack, Suat Serdar oder Aaron Seydel sind Spieler, welche diese Saison bereits einen Profivertrag unterschrieben haben.
Sowieso sind die Mainzer für ihre Jugendarbeit bekannt. Das Mainzer Nachwuchs­zentrum gilt zu den besten des Landes, hat Nationalspieler wie Andre Schürrle, Manuel Friedrich oder Erik Durm hervorgebracht. Auch Neven Subotic oder Chrisitan Mathenia machten ihre ersten Schritte Richtung Profifußball bei den 05ern.
Seit dem ersten Bundesligaaufstieg im Jahr 2004 wurde die Jugendarbeit schrittweise professionalisiert.  Unter anderem wurden mehrere Kunstrasenplätze, ein Technikparcours und Jugendhäuser für die jeweiligen Juniorenmannschaften geschaffen. Nachhilfelehrer, Sozialpädagogen und Sportpsychologen kümmern sich rund um die Uhr um die Jugendspieler – dass die U 23 von Mainz 05 II als eine von nur zwei Nachwuchsmannschaften (SV Werder Bremen II) in dieser Saison Profifußball in der 3. Liga spielte, ist kein Zufall. Der Verein lebt von seiner Jugendarbeit – das Kerngeschäft der Mainzer wird, nach eigener Aussage, immer die „Aus- und Weiterbildung von jungen, talentierten Spielern bleiben.

Im Fokus: Aaron Seydel

Einer dieser talentierten Jugendspieler, der kurz vor dem endgültigen Sprung in den Profikader steht, ist Aaron Seydel. Seydel ist eine imposante Figur, mit 1.99 Meter und Schuhgröße 48 steht der Mittelstürmer wie ein Turm zwischen den gegnerischen Abwehrreihen. Das Mainzer Eigengewächs spielt bereits seit 2005 bei den Rheinhessen, durchlief diverse Jugendmannschaften des Nachwuchsleistungszentrums und steht nun in seiner zweiten Saison im Kader der U-23. Trainer Schwarz sieht in Seydel einen Rohdiamanten mit den richtigen Ansätzen:  „Sein Trainingseifer und Einsatz sind sehr gut. In seinen Spielleistungen hat Aaron noch Luft nach oben. Aber es ist normal, dass ihm noch die Konstanz fehlt“, verweist Sandro Schwarz auf Seydels Alter. Mit seinen gerade mal 21 Jahren ist Seydel bei der U 23 noch längst nicht am Ende seiner Entwicklung angekommen.
Durch den Abstieg der Mannschaft in die Regionalliga wird der Stürmer aber wohl vermehrt bei den Profis anzutreffen sein. Bei den Mainzern hat Seydel kürzlich seinen ersten Profivertrag bis 2021 unterschrieben, durfte in der laufenden Saison das erste Mal Bundesligaluft schnuppern – und das sehr erfolgreich. Bei der 1:2-Niederlage gegen Hertha BSC Berlin am 12. Spieltag erzielte der junge Stürmer das zwischenzeitliche 1:0 für seine Mannschaft.
Seydel ist diese Saison das erste Mal dauerhaft fit, zuvor warfen ihn immer wieder kleinere Blessuren in seiner Entwicklung zurück. Was für ein Potential in ihm steckt, hat der junge Mann diese Saison bereits eindrucksvoll unter Beweis gestellt: Seydel ist zum unumstrittenen Stammspieler gereift, hat eine feine Ballbehandlung und ist für sein Alter bereits sehr torgefährlich – sechs Tore und vier Vorlagen unterstreichen das. Nebenbei ist er durch seine Größe auch extrem kopfballstark, behauptet Bälle im Offensivzentrum sehr gut. Eine dauerhafte Beförderung in den Profikader ist daher nur noch eine Frage der Zeit. Trainer Schwarz freut sich für seinen Schützling: „Ich freue mich für Aaron und generell für jeden U 23-Spieler, der oben seine Einsatzmöglichkeiten bekommt und seinen Platz findet“, sagte der Coach auch in Bezug auf Philipp Klement, Alexander Hack oder Suat Serdar, die neben Seydel dieses Jahr ebenso Profiverträge bei den 05ern unterschrieben haben.
Der Weg zu einem etablierten Bundesliga-Stürmer ist für Aaron Seydel allerdings noch lang. Die Einstellung des 21-Jährigen stimmt aber schon mal. Großmütig auf die Pauke zu hauen ist nicht Seydels Stil, vielmehr versucht er mit Leistungen auf sich aufmerksam zu machen: „Ich versuche einfach nur, jeden Tag meine Arbeit zu machen“. Seydel ist ein reflektierter junger Mann, der am Bruchweg hohes Vertrauen genießt. Wenn er den eingeschlagenen Weg so weitergeht, werden auch bald die Bundesliga-Fans ganz genau wissen, wer Aaron Seydel ist.  

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